Jedem wird der Unfall am vergangenen Samstag bei „Wetten, dass…?“ ein Begriff sein. Schon nach Ende der Show wurde eine Live Schaltung mit Thomas Gottschalk aus dem heute-Studio gesendet, in welcher er eine Stellungnahme abgab. Natürlich erfolgt so ein „Spektakel“ nicht ohne mediale Konsequenzen. Gerade sind in allen Print- und Funkmedien heftige Kritiken an Thomas Gottschalk und „Wetten, dass…?“ veröffentlicht worden, in denen man der ZDF Produktion vorwirft, auf Grund konkurrierender Unterhaltungsshows wie dem „Super Talent“ mehr auf Einschaltquoten und Marktanteile zu achten, als sich um das Wohlergehen der Partizipierenden zu kümmern. Da fragt man sich doch wie es sein kann, dass Medienexperten, Journalisten, Moderatoren und Redakteure so wenig Kenntnisse über den gesamten deutschen Medienmarkt haben, als dass sie nicht zwischen billiger Privatsenderunterhaltung und den etablierten öffentlich-rechtlichen Fernsehprogrammen unterscheiden können. Diese Personen müssten soweit darüber informiert sein, dass sich die Rezipienten beider Senderarten unterscheiden. Konkret heißt dies, dass der typische „Supertalent“ Zuschauer samstags abends mit seiner Bierflasche vor dem Fernseher sitzt und in Dieter Bohlen und Konsorten eine freudige, ja fast göttliche Erscheinung sieht. Nicht einmal die geplante und rollenhafte Inszenierung dieser Unterhaltungsausführung fällt diesem auf. Formate wie „Wetten, dass…?“, die zwar in den letzten Jahren verstärkt auf den Besuch der Prominenz Wert legen, jedoch nichts an ihrer unter Umständen sinnvolleren subjektiven Wertschätzung verloren haben, unterhalten die Familie. Die Familie, die nicht die Verantwortung auf die Medienkanäle überträgt und eben auch die Familie, die Wortwitz und Geschick fordert. Klingt stereotypisiert? Ist aber so. Es kommt nun also die Frage auf, wie die Medienkonsumgewohnheiten der Bevölkerung geprägt sind, die sich einst als Dichter und Denker bezeichneten. Zu Zeiten, als Lyrik und Epik noch als Unterhaltungskunst frequentiert wurden, mochte man nachdenken, über Gesellschaft, Liebe, Politik und Protest. Aber wozu braucht man diese Formen der Mitteilung noch? Die neue Pisa-Studie zeigt ja, dass das deutsche und das österreichische Kind keinerlei Lesekompetenz mehr besitzt. Man kann diesem aber auch keinen Vorwurf machen, denn wie viele Eltern heutzutage bringen ihre Kinder noch mit einer Gute-Nacht Geschichte ins Bett und lassen diese selbst vorlesen? Nein, samstags abends setzt man sich da lieber vor den nagelneuen HD-ready-flat-screen-TV und schaut das „Supertalent“. Äquivalent dazu kann man sein Augenmerk auf den eigentlichen Unterhaltungswert dieser Sendung richten. Ich stelle die Hypothese auf, dass eher die Personen dazu neigen das „Supertalent“ zu schauen, die ihre Gratifikation im Scheitern Anderer sehen. Denn werden Menschen nicht systematisch bloßgestellt? Herr Bohlen ist gerade deshalb erfolgreich, weil er vulgär und beleidigend ist. Ganz nach dem Geschmack der Deutschen, uns hat das an den Pranger stellen schon im Mittelalter überaus gut gefallen. Verglichen dazu kann man bei „Wetten, dass…?“ weniger den Anspruch an Bloßstellung sehen, als den Versuch, jede Altersklasse in Form von nicht alltäglichen Darbringungen zu erfreuen. Nicht umsonst ist „Wetten, dass…?“ seit mehr als 30 Jahren erfolgreich. Die deutsche Gesellschaft hat sich allerdings verändert. Schnell, anspruchslos und möglichst wenig Nutzen ziehen, das ist die Devise. Gehe der Dank an Gott im Himmel, dass es scheinbar aber noch Menschen gibt, die Kritiken nicht an die Falschen richten und Mediennutzung so einsetzen, dass sie ihren Unterhaltungswert nicht auf „Harz-4“ - TV setzen. Ganz abgesehen davon: Das kognitive und literarische Erbe der großen Denker scheint im kleinsten Maße, gegen jede Annahme, doch noch an ein paar Deutsche weitervererbt worden zu sein. Wenn man allerdings die nun aufgekommene Debatte über Unterhaltungsformen und –ausmaß betrachtet muss man feststellen, dass von eben diesen „New-Denkern“ die wenigsten im Mediensektor, und schon gar nicht im privaten Bereich arbeiten. Zeit für stumpfes Unterhalten, sagen die. Zeit für das effektive Umdenken, sage ich.