Wir armen Studenten müssen uns ja irgendwie zu helfen wissen. So geschah es, dass Rachel und ich uns, mit Taschen und gigantischen Rollkoffern bepackt, im 1. Bezirk auf die Reise in den 2. zu unserer neuen Wohnung machten. Auf jeder Schulter hing mindestens eine Tasche und hinter uns rollten die Monster laut vor sich hin. Die erste Hürde war der Weg zur U-Bahn. Wir wurden angeschaut, als würden wir uns einen Spass draus machen vollbepackt durch Wien zu marschieren und wehrlosen Passanten im Weg zu sein. Kein Mensch kam auf den Gedanken aus dem Weg zu gehen, scheinbar wird es für ein Leichtes gehalten mit 15 kg auf den Schultern und 25 hinten dran einen Parkur in der Karlsplatz Passage hinzulegen.
Man könnte glauben, dass der Parkur- und Hürdenlauf das erste und letzte Hindernis auf unserem Wege gewesen sei. Aber nein! Mit den Koffern und Taschen in eine U-Bahn einzusteigen, in die nur Menschen müssen, die es viiiel eiliger haben als alle Anderen auf dieser Welt, war unsere nächste Challenge. Dass die U-Bahn gleich schnell fährt, ob man nun als Erster oder als Letzter eingestiegen ist, scheint so Einigen nicht klar zu sein. Und dennoch - oh du Wunder - liefen wir, ein paar verärgerte, vorbeigehende Passagiere später, auf den Fahrstuhl unseres Ausgangs zu. Dabei wurden wir von jungen und noch jüngeren Mitbürgern überholt, die Türen gingen zu und der Fahrstuhl fuhr vor unseren Nasen nach oben. Zurück blieben wir mit unseren 80 kg Gepäck.
Ich fing an darüber nachzudenken, ob mir in Berlin Ähnliches widerfahren würde. Nach einer Diskussion einigten Rachel und ich uns darauf, dass das wahrscheinlich nicht der Fall wäre. Nun ging die Tür des zweiten Fahrstuhls vor uns auf. Man würde annehmen, dass wir nun in den Fahrstuhl steigen konnten. Nun… dem war auch nicht so! Es drängten sich zuallererst die Fahrgäste auf der anderen Seite des Fahrstuhls hinein und erst danach stiegen wir mit einem verständnislosem Lachen dazu. Oben angekommen standen uns schon die nächsten Eiligen im Weg, die scheinbar auf jeden Fall in den Fahrstuhl wollten bevor alle Anderen ausgestiegen sind. Beinahe wäre ich vor Wut einem davon mit dem Monster auf den Fuss gefahren.
Da liefen wir, voll bepackt mit Klamotten und Schuhen, über den mit Kieselsteinen bedeckten Bürgersteig. Alle paar Sekunden blieben Sternchen in den Rollen hängen und machten noch fiesere Geräusche als die Koffer sowieso schon verursachten. Ich musste an das Mädchen denken, dass einige Tage zuvor hinter mir genau diese Strecke mit ihrem Rollkoffer gelaufen ist und wie ich sie dafür verflucht habe, weil mich dieses Quietschen und Reiben so sehr genervt hatte. In diesem Moment habe ich mich innerlich bei ihr dafür entschuldigt. Und als wir dachten, dass alles nun geschafft sei wurden wir zu guter Letzt von einer Billa Kundin angeknurrt, weil sie unbedingt von der Seite und nicht vor Vorne in den Laden rein wollte… Da konnten wir nur noch müde lachen… Ich überlegte tatsächlich, ob ich mich nicht in Berlin mit einem Koffer bewaffnet an das Experiment wage und herausfinde wo die unfreundlicheren Passanten wohnen.
NATÜRLICH ist mir klar, dass die Berliner "die Erfinder der Freundlichkeit" sind. Allerdings muss ich jedem Kritiker dieser kleinen Geschichte empfehlen zu versuchen in einer halb vollen Einkaufsstraße Wiens geradeaus zu laufen. Ihr werdet staunen!
NYC 2008 (da waren die Leute netter zu den Koffern;)